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Christoph Fuchs im Interview zur Honorarberatung

Christoph Fuchs in der Interview-Reihe zur Honorarberatung

„Makler sind nicht dazu da, die Hausrat jedes Jahr zwei Euro billiger zu machen“

In unserer brandneuen Interview-Reihe „Mit Vision – Über die Lage der Honorarberatung “ kommen Stimmen aus der Theorie und Praxis zu Wort, die sich kritisch mit der Beratung und Vermittlung gegen Entgelt auseinandersetzen, dabei Denkanstöße platzieren und die Folgen, Risiken und Chancen der Honorarberatung skizzieren. Interviewpartner der heutigen Stunde ist Christoph Fuchs – Kreativkopf, egal ob es ums Malen, Musik oder Tattoos geht, und ein passionierter Akteur in der Finanzdienstleistungsbranche. Er ist Experte für alternative Vergütungsmodelle in der Versicherungsbranche und Gründer von finvoice, ein Unternehmen, das digital und sicher Abrechnungsprozesse vereinfacht und optimiert.

Von persönlich bis rechtlich, von meinungsstark bis hin zu konkreten Ideen und Maßnahmen geben die Interviewpartner und Experten aus der Branche Antworten auf die drängendsten Fragen rund um die Honorarberatung – mal gewagt, meist genau auf den Punkt und in jedem Fall augenöffnend!

Warum gehst du arbeiten?

Meine Tätigkeit fühlt sich nicht wie Arbeit an. Das hat zwei Gründe: Auf der einen Seite lebe ich in der glücklichen Situation, dass ich in meinen mittlerweile 20 Jahren als Unternehmer einige gute finanzielle Entscheidungen getroffen habe und daher nicht mehr arbeiten „muss“, um den Lebensstandard meiner Familie zu finanzieren. Auf der anderen Seite verfolgen wir mit finvoice eine Mission: Wir möchten die Branche verändern und dazu beitragen, Beratung, Service und die damit verbundene Vergütung sowohl für Kunden als auch für Berater besser zu gestalten.

Wer inspiriert dich?

Mein Sohn, Multitalente wie beispielsweise Arnold Schwarzenegger oder Bruce Dickinson, Künstler wie Trent Reznor oder Hans Zimmer und Autoren wie Timothy Ferriss.

Wenn du dich in die Rolle des Endkunden versetzt: Was bevorzugst du, die Provisions- oder die Honorarberatung? Warum?

Aus Sicht eines Endkunden würde ich hier zwischen den Produkten differenzieren. Im Bereich des Kapitalaufbaus und der Altersvorsorge würde ich eine transparente Beratung gegen Honorar definitiv bevorzugen, im Bereich der Sachversicherung sehe ich beispielsweise keine Notwendigkeit, anstelle der Courtage ein Honorar zu zahlen.

„Es herrscht noch viel Aufklärungsbedarf“

Was dürfen Vermittler, wenn es um Verbraucher geht?

Aus meiner Sicht herrscht hier noch viel Aufklärungsbedarf – sowohl bei den Maklern als auch bei den Kunden. Es kursiert immer noch das Gerücht, ein Makler dürfe nur dann ein Honorar in Rechnung stellen, wenn er als reiner Honorarberater registriert ist. Das ist aber definitiv nicht richtig. Es ist nämlich völlig in Ordnung, wenn ein Makler Leistungen in Rechnung stellt, die über das, was im Maklervertrag vereinbart wurde, hinausgehen. Das kann beispielsweise ein zusätzlicher Service, wie die Pflege einer digitalen Akte, die Unterstützung bei der Notfallplanung oder eine besonders intensive Betreuung im Schadensfall, sein. Das gleiche gilt für die Vermittlung eines Produktes für das der Makler keine Vergütung in Form von Provision oder Courtage erhält, wie beispielsweise ein Nettotarif. Auch in diesem Fall darf der Makler eine Vergütung in Form eines Vermittlungshonorars erhalten.

Das Thema Honorarberatung wird nun seit über zehn Jahren in der Fachpresse als „die Chance für Vermittler und Berater“ kommuniziert. Nicht selten wird die Honorarberatung folglich als die Lösung der Zukunft gehandelt. Warum wird die Honorarberatung aus deiner Sicht noch nicht aktiv angepackt?

Wir Finanzdienstleister haben – so nehme ich es zumindest wahr – unsere Kunden ein wenig „falsch erzogen“. Wir haben lange Zeit nicht transparent über Vergütung gesprochen. Nun plötzlich gegenüber einem Kunden offen zu kommunizieren, was man an einem Produkt verdient, schreckt manchen Berater möglicherweise ab. Letztendlich ist das aber ein Mindset-Problem des Vermittlers. Dem Kunden zu suggerieren, man würde „umsonst“ arbeiten und das „billigste“ Produkt für den Kunden finden, ist sicherlich kein nachhaltiger Weg. Kunden, die man über den Preis gewinnt, verliert man auch wieder über den Preis.

Bei meinem Friseur hängt ein Schild über der Tür: Ein guter Haarschnitt ist nicht billig, ein billiger Haarschnitt ist nicht gut. Genauso verhält es sich auch mit Beratung und Dienstleistung.

„Jeder Vermittler ist gut beraten, sich jetzt freiwillig mit
alternativen Vergütungsmodellen zu beschäftigen“

Was wird deiner Meinung nach in den nächsten fünf Jahren zum Thema Vergütung auf die Versicherungsbranche zukommen?

Ich glaube nicht, dass in dieser Legislaturperiode ein Provisionsverbot Thema sein wird. Gleichzeitig bin ich aber davon überzeugt, dass es weitere Änderungen geben wird und dass das Thema mittelfristig nicht vom Tisch ist. Wenn wir einen Blick über die Grenzen Deutschlands hinauswerfen, stellen wir schnell fest, dass sich auf EU-Ebene sehr viel ändert und noch sehr viel mehr verändern wird. Ich denke daher, dass jeder Vermittler gut beraten ist, sich jetzt freiwillig mit alternativen Vergütungsmodellen zu beschäftigen, als es erst dann zu tun, wenn es keine andere Wahl mehr gibt.

Die Angst vor sozialer Spaltung bei Einführung von Provisionsverboten wird immer wieder genannt. Richtet sich die Honorarberatung nur an vergleichsweise vermögende Kunden?

Das hängt stark vom Geschäftsmodell des jeweiligen Vermittlers ab. Es gibt beispielsweise die Möglichkeit, ein Vermittlungshonorar in Raten zu zahlen. So kann auch ein Kunde mit einer schwächeren Bonität von den Vorteilen einer Honorarberatung profitieren.

Nutzt diese Personengruppe mit geringem Einkommen aktuell überhaupt das Angebot der klassischen Vermittler und Berater?

Ich beobachte schon seit Jahren, dass sich die Kunden aufgrund der digitalen Wettbewerber (Vergleichsportale, InsurTechs, etc.) in zwei Gruppen aufteilen: preisorientierte und serviceorientierte Kunden. Preisorientierte Kunden nutzen häufig die vorhandenen Robo-Advice Angebote und möchten vor allem eines: so wenig wie möglich für Versicherungen bezahlen. Ich denke, dass diese Zielgruppe für Vermittler nicht wirklich spannend ist.

Unter den serviceorientierten Kunden findet man aber nicht nur vermögende Kunden. Auch Azubis mit geringem Einkommen können durchaus Wert auf Service und Beratung legen und sind daher auch bereit im Rahmen ihrer Möglichkeiten hierfür Geld zu zahlen.

„Makler schützen die Kunden vor Altersarmut
und sind da, wenn es tatsächlich mal kracht“

Was zeichnet eine gute Honorarberatung aus bzw. was braucht eine Honorarberatung, um wirklich Mehrwert zu stiften?

Ich denke, wenn ein Kunde zwei Tage nach der Beratung mit eigenen Worten wiedergeben kann, welches Problem mit der Beratung gelöst wurde und warum er bereit war, dafür einen Preis X zu zahlen, dann war die Beratung gut.

Unabhängig davon: eine gute Beratung zeichnet sich vor allem durch Ehrlichkeit, Transparenz und Vollständigkeit aus. Und am Ende des Tages muss natürlich auch das vermittelte Produkt halten, was es verspricht.

Mal ganz provokant gefragt: Enthält in deinen Augen die Aussage, dass wir in der Branche nicht den „Arsch in der Hose“ haben, den Kunden klar zu sagen, was wir kosten und was unsere Dienstleistung wert ist, einen wahren Kern?

Ja, definitiv. Ich denke, dass viele Makler sich weit unter Wert verkaufen. Denn es ist ja so: Makler sind nicht dazu da, die Hausrat jedes Jahr zwei Euro billiger zu machen. Makler sichern existenzielle Risiken ab, schützen die Kunden vor Altersarmut und sind da, wenn es tatsächlich mal kracht. Ich finde, dass das eine sehr wichtige und ehrbare Dienstleistung ist, die auch gut bezahlt werden muss.

Als Vorteil der Honorarberatung wird immer wieder das Thema der Stornofreiheit genannt. Siehst du dies auch so oder geht es letztendlich um andere Vorteile der Honorarberatung?

Jeder Makler hat das Risiko der Stornohaftung, wenn er sein Geschäftsmodell ausschließlich auf das Bein der Abschlussprovision stellt. Selbst der beste Berater kann sich nicht vor einer gewissen Quote an Abwerbung der Kunden durch Mitbewerber (die Hausbank, der Schwager im Strukturvertrieb, InsurTechs) oder vorübergehende Zahlungsunfähigkeit der Kunden schützen. Ein konkretes Beispiel: ein Makler vermittelt eine bAV mit Höchstbeitrag und freut sich über die Provision. Ein halbes Jahr später wechselt der Kunde den Arbeitgeber. Der neue Arbeitgeber übernimmt die bestehende bAV nicht, da er einen Rahmenvertrag mit einem Versicherer hat; der Kunde möchte die bAV nicht privat fortführen und stellt sie beitragsfrei. Schon gibt es Liebesgrüße aus Sankt Orno. Abgesehen davon ist aber der größte Vorteil der Honorarberatung nicht die Stornofreiheit, sondern die Transparenz für den Kunden sowie die höhere Wertschätzung der Dienstleistung. 

„15 Prozent der aktiven Makler sind schon älter als 70“

Mit der Implementierung von Servicepauschalen und Honoraren soll die Wertschätzung von Kunden gegenüber der Arbeit von Maklern steigen. Woran könnte diese vermehrte Wertschätzung in deinen Augen liegen?

Ich habe selbst in meiner aktiven Zeit als Makler mit Servicepauschalen gearbeitet – so ist ja letztendlich auch unser Unternehmen finvoice entstanden – und kann daher aus eigener Erfahrung sagen, dass das Feedback der Kunden sehr positiv war. Ein Kunde sagte mal zu mir: „Herr Fuchs, seitdem ich Sie für den Service bezahle, habe ich das beruhigende Gefühl, dass Sie hier sind, um mich zu beraten ohne die Absicht, mir etwas Neues zu verkaufen“. Wenige Kunden sprechen das so klar aus, aber ich bin mir sicher, dass sehr viele Kunden genauso empfinden.

Häufig liest man: „Die Akzeptanz der Honorarberatung hält sich in Deutschland bei Verbrauchern immer noch in Grenzen“. Was ist deiner Meinung nach der Grund, weshalb die Honorarberatung wenig Nachfrage erhält?

Ich will es so sagen: Würden mehr Berater das Thema aktiv bei ihren Kunden ansprechen, wäre ganz plötzlich und überraschend mehr Akzeptanz da. Als Berater fließt die Information vom Berater zum Kunden. Das funktioniert nur in diese Richtung und dafür werden wir bezahlt. Ich möchte es am Beispiel der Haftpflichtversicherung verdeutlichen: Kein Kunde wird nachts plötzlich wach und denkt sich: „Oh, habe ich in meiner Haftpflichtversicherung eigentlich eine Forderungsausfalldeckung?“. Der Berater muss den Kunden aktiv auf dieses Thema hinweisen. Genauso verhält es sich mit dem Thema Honorarberatung. Woher soll der Kunde denn die Vorteile kennen, wenn sein Berater sie ihm nicht aufzeigt?

Jede Generation bringt Veränderung mit und hat eine andere Erwartung an das Leben und an Konsum. Geht die Versicherungsbranche in deinen Augen an dieser Stelle mit und verändert sich spürbar oder gibt es Handlungsbedarf?

Machen wir uns nichts vor: unsere Branche ist alt. Gerade mal fünf Prozent der aktiven Vermittler sind jünger als 40, im Gegenzug sind 15 Prozent der aktiven Makler schon älter als 70.  Wir sollten daher dringend Anreize schaffen, damit mehr junge Menschen Interesse an unserer Branche haben und vor allem sollten wir gut zuhören, wenn sie Ideen äußern.

Wir Menschen überschätzen oft den Input und unterschätzen den Aufwand. Trifft das auf Vermittler und das klassische Courtage-Modell auch zu?

Wenn man hört, dass ein Makler beispielsweise 5.000 Euro Provision für die Vermittlung einer PKV erhält, klingt das erst mal sehr viel. Nun müsste man aber mal im Gegenzug ausrechnen, wie viele Stunden Arbeit dem gegenüberstehen: Akquise des Kunden, Weiterbildung, Pflege des Maklerverwaltungsprogramms, Fahrzeiten, Angebotsvergleich, Bearbeitung des Antrags inklusive Rückfragen zu den Gesundheitsfragen. Ich würde allen Lesern hier gerne eine einfache Rechenübung empfehlen: Teilen Sie Ihren letzten Jahresgewinn durch 230 Arbeitstage und danach durch acht Stunden pro Tag. Das Ergebnis ist ihr Stundenlohn, sofern Sie 40 Stunden pro Woche arbeiten. Nun noch ein Referenzwert: der Stundenverrechnungssatz für einen guten Handwerker liegt zwischen 40 und 60 Euro.

Welche persönlichen, unternehmerischen und fachlichen Voraussetzungen sollte ein Vermittler oder ein Berater haben, um eine Honorarberatung anbieten zu dürfen?

Die Voraussetzungen sollten die gleichen sein wie bei der Provisionsberatung. Nachweis der Qualifikation und Fachkompetenz, gut geordnete finanzielle Verhältnisse, ein sauberes Führungszeugnis, ausreichende Vermögensschadenshaftpflicht und vor allem: Ehrlichkeit.

Diese Reihe „Mit Vision – Über die Lage der Honorarberatung“ beantwortet alle Fragen rund um das Thema Beratung und Vermittlung gegen Entgelt. Weder Schubladendenken noch Standardantworten sind in dieser Interview-Reihe erlaubt. Ganz im Gegenteil: Die Chancen und Risiken der Honorarberatung realistisch und ehrlich zu beschreiben, ist das Ziel jedes Experten-Interviews.

Über die Autoren:
Stephan Busch ist Versicherungsmakler und Inhaber von PROGRESS Finanzplaner.

Tim Schreitmüller ist digitaler Stratege mit Versicherungs-Know-how von der LV 1871.

Über den Interviewpartner:
Christoph Fuchs ist Experte für alternative Vergütungsmodelle in der Versicherungsbranche und Gründer von finvoice, ein Unternehmen, das digital und sicher Abrechnungsprozesse vereinfacht und optimiert.

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